Drawing diversity
Beitrag zum Wettbewerb „Drawing Matter Writing Prize“
Stuttgart, Tagblatt-Turm, four studies using different materials: pencil, watercolour, charcoalm chalk on coloured paper, 2015 (Quelle: Florian Afflerbach Der Zeichner, Schaff-Verlag, 2018, S. 201)
English text:
Drawings tell. Drawings develop. Drawings indicate. Drawings mean.
In countless facets, from sharp lines to soft brushstrokes, a hand drawing, a painting or a sketch tells us its unique story: Starting from the muscles in our fingers and hands, that guide the pencil over a sheet of paper, creating shapes though movement. From the thoughts, which anticipate direction and thickness of the line before transferring it to paper. From the mind, who is capable to visualize a sketch before it becomes reality. From a world in which the drawing belongs to a way of life when body and mind start their search for suitable motives, wandering through towns and sceneries, catching pictures through eyes and hands. From a society which lives with and from images, which are perceived with one of the most crucial senses of the human being: vision.
Florian Afflerbach, draughtsman and architect, embodied this lifestyle. In 2013 he was asked to draw an icon of the Stuttgart urban landscape, the so-called “Tagblatt-Turm” in four different variations. Without any additional instructions he created a series of four drawings with pencil, watercolour, charcoal and chalk on coloured paper. The same tower, the same perspective, four different interpretations: With fine lines and shadings of the pencil, with blurred and soft watercolour brushstrokes, strong and expressive with the charcoal and finally the detailed and well shaded chalk drawing on coloured paper. His eyes wandered quietly and determined from tower to hand to paper and back again until the drawing corresponded to what he saw. Thereafter he completed the drawing with details and surroundings, erased, hatched, painted and added shades. In doing so, Florian sank into a world which he created and from which he brought his view of the world back. He once said: „It is only with the pencil that one can see rightly.“ Based on Saint Exupérys sentence in the book „The small prince“ he stated, that although we perceive our world with our eyes, we can only truly „see“ and understand it if we engage with our surroundings intensively.
Drawings makes visible. Drawings mediate. Drawings create diversity.
Deutscher Text:
Zeichnen erzählt. Zeichnen entwickelt. Zeichnen zeigt auf. Zeichnen hat Bedeutung.
In unzähligen Facetten von scharfen Linien bis weichen Pinselstrichen erzählt uns eine Handzeichnung, eine Malerei, eine Skizze ihre unverwechselbare und einmalige Geschichte: Von der Hand, die den Stift über die Muskeln in Fingern und Arm über das Blatt führt und deren Bewegungen einen Strich werden lassen. Von den Gedanken, die Richtung und Stärke der Linie antizipieren und an das Papier weitergeben. Von dem Geist, der die Vorstellungskraft besitzt, eine Skizze vor seinem inneren Auge zu erstellen, bevor sie zur Realität wird. Von einer Welt, in der das Zeichnen zu einer Lebensart gehört, wenn Körper und Geist sich auf die Suche nach geeigneten Motiven aufmachen, durch Städte und Landschaften streifen und Bilder über Augen und Hände einfangen und interpretieren. Von einer Gesellschaft, die mit und von Bildern lebt, die über eines der zentralsten Sinne des Menschen, das Sehen, wahrgenommen werden.
Florian Afflerbach, Zeichner und Architekt, verkörperte dieses Leben. Er wurde 2013 gebeten, eine Ikone des Stuttgarter Stadtbildes, den so genannten Tagblatt-Turm in vier Varianten zu zeichnen. Ohne weitere Vorgaben entstand eine Reihe aus vier Zeichnungen mit Bleistift, Aquarell, Kohle und Kreide auf Tonpapier. Ein und derselbe Turm, ein und dieselbe Perspektive, vier völlig unterschiedliche Interpretationen. Fein und mit linierten Schraffuren des Bleistifts, verschwommen und weich mit den Pinselstrichen des Aquarells, kräftig, ausdrucksstark und mit hohem Kontrastverhältnis durch den Kohlestift und zuletzt die detailreiche und fein schattierte Kreidezeichnung auf Tonpapier. Sein Blick wanderte ruhig und gezielt von Turm zu Hand zu Papier und wieder zurück, so lange bis das Gebäude in seinem Grundgerüst dem entsprach, was er sah. Im Nachgang ergänzte er Details und Umgebung, radierte, schraffierte, malte und strichlierte. Florian versank in seiner Arbeit in eine Welt, die er sich schuf und aus der er seine Sicht auf die Welt wieder mitbrachte. Er sagte einmal: „Man sieht nur mit dem Bleistift gut.“ In Anlehnung an Saint Exupérys „Der kleine Prinz“ vermittelte er, dass wir unsere Welt durch unsere Augen zwar wahrnehmen, aber nur tatsächlich „sehen“ und verstehen, wenn wir uns mit ihr intensiv beschäftigen.
Zeichnen macht sichtbar. Zeichnen vermittelt. Zeichnen schafft Vielfalt.
2013 entstanden die Zeichnungen zum Tagblatt-Turm Stuttgart als Projekt für ein Musikvideo. Florian erklärte sich damals bereit, den Turm für uns in mehreren Varianten zu zeichnen, während wir ihn dabei filmen durften.
Er war ein leidenschaftlicher und begnadeter Handzeichner. Die ganze Bandbreite seiner Arbeit kann man in dem wunderschön gemachten Buch „Florian Afflerbach: Der Zeichner“ beim Schaff Verlag bestellen:
„Florian Afflerbach. Der Zeichner“ ist eine Erinnerung an den Zeichner, Architekten, Architekturvermittler und Mitgründer des Schaff-Verlags Florian Afflerbach, der im Mai 2016 bei einem tragischen Verkehrsunfall sein Leben verlor.